Tagungsbericht zum Symposium: «Wodurch fühlen wir uns sicher? Eine multiprofessionelle Beleuchtung des Sicherheitserlebens»

Das Symposium zum Thema «Sicherheitserleben» fand am 27. April 2023 im Tanzwerk 101 in Zürich statt. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Wissenschaftskommission (WiKo) des Instituts für Integrative Körperpsychotherapie (IBP) in Winterthur. Das Programm bot eine Reihe von hochkarätigen Vorträgen und Workshops, die verschiedene Aspekte der erlebten Sicherheit aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven beleuchteten.

Es nahmen rund 100 Personen daran teil, grösstenteils mit IBP Hintergrund, aber auch andere Therapierichtungen waren vertreten wie z.B. Psychoanalyse, Verhaltenstherapie oder Gestalttherapie. Weiter wurde die Multiprofessionalität durch Teilnehmende aus den Berufsfeldern Psychotherapie, Psychiatrie, Coaching, Physiotherapie abgebildet.

Gemeinsamer Start im Plenum
Die Tagung wurde durch die WiKo IBP mit einer herzlichen Begrüssung und einführenden Worten zum Thema eröffnet. Diese lauteten wie folgt:

«Das Thema der erlebten Sicherheit ist für die Menschheit seit jeher ein allgegenwärtiges, wichtiges Thema, das uns in unterschiedlichen Szenarien herausfordert. In der römischen Mythologie wurde der Sicherheit eine eigene Gottheit gewidmet: die Göttin Securitas. Übersetzt wird Securitas mit «Freiheit von Sorgen». Das Rezept, wie diese Sorgenfreiheit erreicht werden kann, lieferten die Römer in der Darstellung der Göttin gleich mit. Als sitzende Figur stützt sie ihren Kopf auf dem Arm ab, als stehende Figur wird sie oft an eine Säule angelehnt dargestellt. In IBP Sprache würden wir sagen: sie ist stets gut geerdet. Dass sie einen Stab oder eine Lanze mit sich trägt, könnte man so deuten, dass sie sich gut schützen oder – im übertragenen Sinne – abgrenzen kann. Weitere Attribute sind Füllhorn, Palmzweig und Opferschale. Auch zu diesen lassen sich Parallelen zu körperorientierten Ansätzen und zu den Bausteinen der erlebten Sicherheit ziehen – oder hineininterpretieren: Das Füllhorn könnte ein Symbol für Ressourcen sein, der Palmzweig für inneren Frieden und körperliche Ruhe und die Opferschale für das Geben bzw. Investieren in Beziehungen – auch spirituelle – stehen. Zusammengefasst lautet die römische Rezeptur für Sicherheit bzw. die Freiheit von Sorgen: man nehme Erdung, Abgrenzung, Ressourcen, Ruhe und Beziehungen und lasse alles zusammen möglichst lange köcheln.»

Nach der Einführung wurden der wissenschaftliche Beirat der WiKo IBP sowie die Referierenden vorgestellt. Die erste Ingredienz des reichhaltigen Tages bildete das Eröffnungsreferat von Dr. med. Markus Fischer mit dem Titel «Der Weg zur wissenschaftlichen Anerkennung von IBP». In seinem Vortrag skizzierte er mit humorvollen Anekdoten die Entwicklung von IBP, der Forschung und die Schritte, die zur Anerkennung der Integrativen Körperpsychotherapie in der Schweiz geführt haben.
Im Anschluss referierte Prof. em. Dr. phil. Wolfgang Tschacher über «Physiologische Synchronie als Zugang zur erlebten Sicherheit». Er präsentierte umfassende Forschungsergebnisse, die verdeutlichen, dass physiologische Synchronie ein wesentlicher Bestandteil des Sicherheitserlebens in zwischenmenschlichen Beziehungen und in therapeutischen Kontexten ist. Er erläuterte, wie bestimmte körperliche Kommunikationsmittel wie Mimik, Gestik und Atmung dazu beitragen können, ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und zwischenmenschliche Verbindungen zu stärken.

Prof. Dr. med. Frank Röhricht hielt nachfolgend einen Vortrag mit dem Titel «Manualisierte Körperpsychotherapie bei Somatisierungsstörungen». Er präsentierte effektive Interventionen und Techniken, die in der Körperpsychotherapie bei der Behandlung von Somatisierungsstörungen Anwendung finden. Er zeigte auf, wie auch in der Körperpsychotherapie manualisierte, gruppenbasierte Ansätze ihren Platz finden und dadurch der therapeutische Prozess optimiert und die Patient:innen darin unterstützt werden, ein erhöhtes Sicherheitserleben im eigenen Körper zu entwickeln.

Workshops
Nach einer Kaffeepause standen sechs Parallelworkshops auf dem Programm, die den Teilnehmenden die Möglichkeit boten, bestimmte Aspekte des Sicherheitserlebens genauer zu erkunden und praktische Erfahrungen zu sammeln.

Dipl. psych. FH Judith Biberstein hielt einen Workshop zum Thema «Wenn nichts sicher ist, ist alles möglich – Zur Balance von Konstruktion und Dekonstruktion in Therapieverläufen». Ihr Workshop widmete sich der Herausforderung, eine Balance zwischen konstruktiven und destruktiven Elementen in Therapieverläufen zu finden. Sie präsentierte theoretische Konzepte und praktische Interventionen, die dazu beitragen, ein stabiles Sicherheitserleben im therapeutischen Prozess zu fördern. Der Workshop lud zur Selbstreflexion der eigenen Konstrukte in der therapeutischen Arbeit ein.

Clea Onori bot den Workshop «Mit der Tanzform Gaga zu mehr Sicherheit im eigenen Körpererleben» an. Die Teilnehmenden wurden dabei begleitet, mit der Bewegungssprache Gaga ein tieferes Körperbewusstsein und ein gesteigertes Sicherheitserleben im eigenen Körper zu entwickeln.

Dr. sc. ETH Ariane Orosz referierte über «Biologische Korrelate des Sicherheitserlebens». Ihr Workshop ermöglichte den Teilnehmenden einen Einblick in die Forschung rund um neurobiologische Grundlagen des Sicherheitserlebens. Aufbauend auf den vorgestellten wissenschaftlichen Erkenntnissen wurden Wirkmechanismen von körperorientierten Ansätzen beleuchtet und ins Erleben gebracht.

Prof. Dr. med. Frank Röhricht leitete den Workshop «Erleben der körperlichen Sicherheit», in dem er den Teilnehmenden praktische Einblicke in Methoden gab, die dazu dienen, ein gesteigertes Gefühl der körperlichen Sicherheit zu entwickeln. Dabei bot er den Raum, durch die Körperübungen neue und vertiefte Erfahrungen zu machen.

Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. phil. habil. Günter Schiepek präsentierte den Workshop «Prozessmonitoring und -feedback durch das Synergetische Navigationssystem (SNS)». Er stellte das Synergetische Navigationssystem vor, ein Instrument zur Überwachung und Rückmeldung des therapeutischen Prozesses, und demonstrierte dessen Anwendung und Möglichkeiten zur Förderung einer sicheren und effektiven Therapie.

Prof. Dr. phil. Agnes von Wyl referierte über «Wodurch fühlen wir uns sicher? Die Antworten der Bindungstheorie und die Implikationen für die Psychotherapie». In ihrem Workshop wurden die Erkenntnisse der Bindungstheorie in Bezug auf das Sicherheitserleben gemeinsam diskutiert. Weiter zeigte sie auf, wie diese Erkenntnisse in der psychotherapeutischen Praxis genutzt werden können, um ein erhöhtes Sicherheitserleben bei Patient:innen zu fördern.

Nach der Mittagspause auf der grossen Terrasse bei schönstem Frühlingswetter mit Raum für viele spannende Begegnungen fand die zweite Workshop-Runde statt. In dieser wurden die gleichen Workshops wie in der ersten Runde am Vormittag angeboten, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, das Thema Sicherheit aus einer weiteren Perspektive zu erkunden.

Gemeinsamer Abschluss im Plenum
Das Abschlussreferat mit dem Titel «Sicherheit und Unsicherheit im therapeutischen Prozess: Frühwarnindikatoren und Konsequenzen für die Praxis» hielt Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. phil. habil. Günter Schiepek. Er präsentierte Indikatoren für Sicherheit und Unsicherheit im therapeutischen Prozess und diskutierte deren Auswirkungen auf die therapeutische Praxis. Er betonte die Bedeutung von Frühwarnsignalen für Unsicherheit und wie man auf diese adäquat reagieren kann, um ein sicheres therapeutisches Umfeld zu schaffen.

Das Symposium wurde durch die WiKo IBP mit Dankesworten und einer Zusammenfassung des Tages offiziell beendet. Darin wurden die Qualität und Relevanz der präsentierten Inhalte gewürdigt. Weiter legte die WiKo IBP dar, dass diese erste Tagung den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis stärken und somit die Weiterentwicklung der Wissenschaftlichkeit der Integrativen Körperpsychotherapie fördern sollte; damit die Methode IBP auch weiterhin – unter Anwendung von Securitas’ Rezept – zur Sicherheit und Freiheit von Sorgen beitragen kann.

Ausklang über den Körper
Für alle, die noch etwas Zeit hatten, gab es in der zusätzlichen Gaga-Tanzstunde mit Clea Onori die Gelegenheit, die Körpererfahrungen und das Sicherheitserleben durch Bewegung zu vertiefen und das Gehörte über die Körperebene zu integrieren.

Evaluierung
Die im Nachgang erhaltenen mündlichen Rückmeldungen und die Auswertung der 25 online eingegangen Umfrageantworten zeigten, dass die Teilnehmenden den Symposiumstag äusserst positiv erlebt haben. Gelobt wurden die grosse Vielfalt und die hohe Qualität der Vorträge und Workshops. Der Grossteil der Teilnehmenden gab an, wertvolle wissenschaftliche Inputs sowie Impulse für ihre praktische Arbeit mitgenommen zu haben.

Besonders geschätzt wurden auch die Organisation sowie das Gesamtsetting des Symposiums. Die familiär-professionelle Stimmung bot Möglichkeiten zum Austausch und zur Vernetzung mit Kolleg:innen und Expert:innen.

Kritisch wurde von einzelnen Personen angemerkt, dass die Referate im Plenum teilweise zu wissenschaftlich, bzw. forschungsorientiert waren.

Zusammenfassend können wir sagen, dass das Symposium eine inspirierende Umgebung schuf, sich dem Themenfeld der erlebten Sicherheit aus verschiedenen Richtungen zu nähern. Ausserdem trug es dazu bei, das Verständnis für die Bedeutung des Transfers von Wissenschaft in die Praxis und vice-versa zu vertiefen.

Dass die meisten Teilnehmenden das Symposium nochmals besuchen würden und spannende Themenvorschläge für ein weiteres Symposium eingegangen sind, zeigt uns, dass ein grosses Bedürfnis nach Austausch zwischen Fachrichtungen sowie zwischen Praxis und Wissenschaft im Zusammenhang mit integrativer Körperpsychotherapie besteht. Dies macht natürlich Lust auf mehr…

Vielen herzlichen Dank für euer Kommen und eure aktive Teilnahme!

Eure WiKo IBP